Abgrenzung zwischen Genussrechtsausschüttungen und Zinsen

09.07.2020

Genussrechtsausschüttungen sind für eine Kapitalgesellschaft nur dann zu 95 % steuerfrei, wenn die Kapitalgesellschaft sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt ist. Die Beteiligung am Liquidationserlös setzt voraus, dass der Genussrechtsinhaber an den stillen Reserven beteiligt ist; es genügt nicht, dass die Genussrechtsausschüttungen gewinnabhängig sind, dass das Genussrecht eine lange Laufzeit hat, dass der Genussrechtsinhaber Alleingesellschafter ist oder dass der Genussrechtsinhaber seine Genussrechte in Anteile umwandeln kann.

Hintergrund: Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören u. a. sowohl Zinsen als auch Genussrechtsausschüttungen. Erhält aber eine Kapitalgesellschaft Genussrechtsausschüttungen, sind diese für die Kapitalgesellschaft zu 95 % steuerfrei, wenn die Kapitalgesellschaft sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt ist. Zinseinnahmen wären für die Kapitalgesellschaft hingegen steuerpflichtig.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine AG, die u.a. seit 2003 Genussrechte an einer kanadischen Tochtergesellschaft (X) hielt. Die Genussrechte hatten eine Laufzeit von 40 Jahren. Die Genussrechtsausschüttung sollte in Höhe von mindestens 4 % des Nettogewinns der X, maximal 16 %, erfolgen. Die Klägerin sollte das Recht haben, statt der Rückzahlung ihres Genussrechtskapitals Aktien an der X zu verlangen (Wandlungsrecht). Die Genussrechte waren nachrangig, mussten also erst bedient werden, wenn die anderen Gläubiger der X ihr Geld erhalten hatten. Die Klägerin behandelte die Ausschüttungen der X als zu 95 % steuerfreie Beteiligungserträge. In Kanada konnte die X die Ausschüttungen wie Zinsaufwand als Betriebsausgaben abziehen; allerdings wurde eine kanadische Quellensteuer von 10 % einbehalten. Das deutsche Finanzamt behandelte die Genussrechtsausschüttungen als steuerpflichtige Zinsen.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) sah in den Genussrechtsausschüttungen steuerpflichtige Zinsen und wies die Klage im Grundsatz zurück:

  • Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Inhaber der Genussrechte sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt sein. Beide Voraussetzungen müssen erfüllt sein.
  • Die Klägerin war nicht am Liquidationserlös beteiligt; denn hierzu fehlte eine entsprechende Vereinbarung. Weder die Vereinbarung über die Nachrangigkeit des Genussrechts noch die gewinnabhängige Vergütung begründen eine Beteiligung am Liquidationserlös. Zwar wird die Klägerin aufgrund der gewinnabhängigen Vergütung an denjenigen stillen Reserven beteiligt, die im laufenden Geschäftsverkehr der X aufgedeckt werden; dies genügte nach dem Gesetzeswortlaut aber nicht, weil die Klägerin nur einen Anspruch auf Rückzahlung des Genussrechtskapitals in Höhe des Nennbetrags hatte.
  • Es genügte auch nicht, dass die Klägerin Alleingesellschafterin der X war. Zwar stehen einem Alleingesellschafter ohnehin alle stillen Reserven zu. Das Gesetz verlangt aber, dass der Anspruch auf die Beteiligung an den stillen Reserven, d.h. am Liquidationserlös, aus der Genussrechtsvereinbarung folgen muss.
  • Auch die lange Laufzeit von 40 Jahren sprach nicht für steuerfreie Genussrechtsvergütungen. Zwar vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass das Genussrechtskapital bei einer Laufzeit von mindestens 30 Jahren wirtschaftlich bedeutungslos wird. Nach dem Gesetz kommt es aber nicht auf die wirtschaftliche Bedeutung, sondern auf die Beteiligung am Liquidationserlös an.
  • Schließlich ist auch das Wandlungsrecht der Klägerin ohne Bedeutung für die Abgrenzung zwischen Genussrechtsvergütungen und Zinsen. Erst mit der Ausübung des Wandlungsrechts würde die Klägerin Anteilseignerin der X werden und würde dann zu 95 % steuerfreie Dividenden erhalten. Bis zur Ausübung des Wandlungsrechts besteht keine Beteiligung an den stillen Reserven.

Hinweise: Es handelte sich damit um Zinsen, die nach dem deutsch-kanadischen Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland zu versteuern waren. Der BFH hat die Sache wegen eines weiteren Streitpunkts an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Zu beachten ist, dass Genussrechte auch an ausländischen Kapitalgesellschaften begründet werden können.

In einem weiteren Streitpunkt des Falls macht der BFH deutlich, dass es steuerlich keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt, wenn ein Steuerpflichtiger Kapitaleinkünfte nicht selbst erzielt, sondern eine Kapitalgesellschaft zwischenschaltet, an der er beteiligt ist und die dann zu 95 % steuerfreie Dividenden oder Genussrechtsausschüttungen bezieht.

BFH, Urteil v. 14.8.2019 – I R 44/17; NWB