05.08.2020
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung zweier Rechtsfragen angerufen: Der EuGH soll klären, ob die Umsatzsteuer bei einer in mehreren Jahresraten zu zahlenden Maklerprovision bereits mit der Vermittlungsleistung oder erst mit der jeweiligen Ratenzahlung entsteht. Sofern die Umsatzsteuer bereits mit der Vermittlungsleistung entsteht, soll der EuGH klären, ob der Unternehmer die Umsatzsteuer, soweit sie auf die künftigen Jahresraten entfällt, zu seinen Gunsten berichtigen kann.
Hintergrund: Grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer bereits mit der Erbringung der Leistung (sog. Soll-Besteuerung). Auf die Erstellung der Rechnung oder die Bezahlung der Rechnung kommt es also nicht an. Im Jahr 2018 hat der EuGH aber im Fall eines Vermittlungshonorars für die Spielervermittlerin „baumgarten sports“ entschieden, dass die Umsatzsteuer erst mit der jeweiligen Jahresrate entsteht, wenn eine jährliche Ratenzahlung vereinbart ist und wenn die Zahlung der jährlichen Rate daran geknüpft ist, dass der Spieler den mehrjährigen Spielervertrag auch erfüllt.
Streitfall: Die Klägerin vermittelte im Jahr 2012 ein Grundstück. Die Vereinbarung sah hierfür eine Provision von 1 Mio. € netto zzgl. 190.000 € vor, die in fünf Jahresraten á 200.000 € zzgl. 38.000 € Umsatzsteuer zu zahlen war. Das Finanzamt stelle auf die Vermittlungsleistung im Jahr 2012 ab und verlangte von der Klägerin 190.000 € Umsatzsteuer für 2012. Die Klägerin war der Ansicht, dass die Umsatzsteuer jährlich in Höhe von 38.000 € entstehe, also erst mit der jeweiligen Ratenzahlung.
Entscheidung: Der BFH hat den EuGH zur Klärung der Streitfrage angerufen:
- Zwar stellt das deutsche Recht auf die Erbringung der Leistung ab, die im Jahr 2012 vollständig erfolgt ist. Der EuGH hat aber im Fall der Spielervermittlerin baumgarten sports entschieden, dass die Umsatzsteuer erst mit der jeweiligen Rate entsteht, wenn die Leistung zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass gibt. Bei dem vermittelten Spielervertrag war dies der Fall, weil das Honorar an die Dauer des jeweils vermittelten Spielervertrags anknüpfte und davon abhing, dass der Spieler seinen mehrjährigen Vertrag für den Verein erfüllte.
- Der EuGH soll daher klären, ob die Grundsätze, die er für den Fall der Spielervermittlerin aufgestellt hat, auch im Streitfall gelten mit der Folge, dass die Klägerin die Umsatzsteuer erst mit Zahlung der jeweiligen Rate an das Finanzamt abführen müsste, also 38.000 € jährlich im Zeitraum 2012 bis 2016. Aus Sicht des BFH ist die Übertragbarkeit der Grundsätze nicht unproblematisch: Denn in dem Fall der Spielervermittlerin war die Leistung zeitraumbezogen, da sie von der Dauer des Spielervertrag abhing. Hingegen hat die Klägerin eine zeitpunktbezogene Grundstücksvermittlung erbracht, die im Jahr 2012 abgeschlossen war.
- Sollte die Umsatzsteuer bereits mit der Erbringung der Grundstücksvermittlung im Jahr 2012 in voller Höhe entstanden haben, soll der EuGH klären, ob die Klägerin zwar 190.000 € für 2012 abführen muss, zugleich aber in Höhe der auf die Raten für 2013 bis 2014 entfallenden Umsatzsteuer eine Berichtigung vornehmen kann, also in Höhe von 152.000 €. Im Ergebnis wären damit für 2012 ebenfalls nur 38.000 € abzuführen. Für eine Berichtigung könnte sprechen, dass bereits im Jahr 2012 feststand, dass die Klägerin die Umsatzsteuer in Höhe von 152.000 € auf die noch ausstehenden 800.000 € (vier Jahresraten á 200.000 €) vorerst nicht erhalten wird, sondern erst sukzessive ab 2013.
Hinweise: Im Kern geht es um die Frage, ob ein Unternehmer die Umsatzsteuer auf seine Leistung vorfinanzieren muss, wenn von vornherein feststeht, dass er die Umsatzsteuer erst in den Folgejahren erhalten wird.
Beim Ratenkauf ist im europäischen Mehrwertsteuerrecht ausdrücklich geregelt, dass die Umsatzsteuer sofort entsteht und nicht erst mit der Bezahlung der Rate. Im Streitfall geht es aber nicht um eine Lieferung (Ratenkauf), sondern um eine sonstige Leistung (Dienstleistung), für die eine ausdrückliche Regelung im europäischen Mehrwertsteuerrecht fehlt.
BFH, Beschluss v. 7.5.2020 – V R 16/19; NWB