06.07.2020
Zwar dürfen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen mithilfe der EDV erlassen werden, so dass eine Unterschrift nicht erforderlich ist. Allerdings muss die Behörde die Entscheidung über den Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung treffen und darf dabei lediglich durch die EDV unterstützt werden. Der formularmäßige Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist nicht zulässig, da es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, die begründet werden muss.
Hintergrund: Bezahlt ein Steuerpflichtiger seine Steuerschulden nicht, kann das Finanzamt eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber einer Bank erlassen, bei der der Steuerpflichtige ein Konto unterhält. Die Bank darf dann das Kontoguthaben nicht dem Steuerpflichtigen auszahlen, sondern muss es an das Finanzamt überweisen.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Bank, die vom Hauptzollamt in den Jahren 2017 mehr als 100 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erhalten hatte; denn das Hauptzollamt führte die Vollstreckung für andere Behörden und Krankenkassen durch. Das Hauptzollamt erstellte die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen mittels eines „Elektronischen Vollstreckungssystems“, druckte diese aus und stellte sie der Klägerin zu. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen enthielten im Briefkopf den Namen und die Anschrift des Hauptzollamts und den Namen des Sachbearbeiters; sie enthielten aber weder eine Unterschrift noch ein Dienstsiegel, sondern nur den Satz: „Dieses Schriftstück ist ohne Unterschrift und ohne Namensangabe gültig.“ Die Klägerin machte die Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
- Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sind schriftlich ergangen und nicht elektronisch übermittelt worden. Eine elektronische Übermittlung ist bei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nach dem Gesetz ausgeschlossen. Denn bei Pfändungsmaßnahmen kommt es auf die Rangfolge an, die bei einer elektronischen Übermittlung schwerer feststellbar wäre als bei einer schriftlichen Bekanntgabe.
- Zwar müssen Verwaltungsakte wie Pfändungs- und Einziehungsverfügungen grundsätzlich eine Unterschrift enthalten; dies gilt aber nicht für Verwaltungsakte, die formularmäßig oder mithilfe elektronischer Rechnungen erlassen werden:
- Ein formularmäßiger Erlass wäre bei einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung jedoch unzulässig. Denn eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist eine Ermessensentscheidung, die begründet werden muss. Die Behörde muss also darlegen, von welchen Gesichtspunkten sie bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist. Ein formularmäßiger Erlass ist hingegen gegeben, wenn ein Formular verwendet wird, das ausgefüllt werden, aber nicht wesentlich geändert werden kann, sondern allenfalls mit kurzen Erläuterungen in wenigen Zeilen versehen werden kann.
- Der Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung mithilfe einer automatischen Einrichtung, d. h. mittels EDV, ist zwar möglich und würde ebenfalls keine Unterschrift erfordern. Jedoch muss sichergestellt sein, dass die Entscheidung über den Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung von der Behörde getroffen wird und dass die EDV nur ein Hilfsmittel ist. Die Behörde muss also über die Art und Weise der Entscheidung sowie über das Ergebnis der Datenverarbeitung durch die Programmierung entscheiden.
Hinweise: Das FG muss nun ermitteln, wie genau das „Elektronische Vollstreckungssystem“ durch das Hauptzollamt genutzt wird. Dabei wird es darauf ankommen, in welcher Weise und unter welchen Voraussetzungen das „Elektronische Vollstreckungssystem“ die Entscheidungen, die die Behörde trifft, unterstützt und umsetzt.
Sollte sich herausstellen, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen automatisch erstellt und abgesandt werden, ohne dass der Sachbearbeiter mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung überhaupt befasst ist, dürfte dies zur Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen führen.
BFH, Urteil v. 17.12.2019 – VII R 62/18; NWB