Fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung und Berechnung der Freigrenze bei Betriebsveranstaltungen

28.08.2020

Die Einspruchsfrist beträgt ein Jahr, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung im Steuerbescheid falsch ist, weil auf die Möglichkeit einer Einlegung des Einspruchs per E-Mail nicht hingewiesen wird.

Außerdem hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass bei der Prüfung, ob die bis einschließlich 2014 geltende Freigrenze von 110 € für die Teilnahme an einer Betriebsveranstaltung überschritten wird, solche Personen, die mit der Organisation beauftragt sind und nicht zur Belegschaft gehören, nicht zu den Teilnehmern gehören, auf die die Gesamtkosten aufgeteilt werden; jedoch sind die Gesamtkosten um die Aufwendungen, die auf die mit der Organisation betrauten Personen entfallen, zu mindern.

Hintergrund 1: Rechtsbehelfsbelehrungen müssen richtig erteilt werden, damit die einmonatige Einspruchsfrist in Gang gesetzt wird; anderenfalls gilt eine Einspruchsfrist von 1 Jahr.

Hintergrund 2: Nach der bis einschließlich 2014 geltenden Rechtslage war die Teilnahme eines Arbeitnehmers an einer Betriebsveranstaltung steuerfrei, wenn der auf den Arbeitnehmer entfallende Anteil der Kosten für das Essen, die Getränke und die Musik nicht höher als 110 € war. Wurde dieser Betrag überschritten, war der gesamte Betrag (anders als nach der derzeit geltenden Regelung) lohnsteuerpflichtig.

Sachverhalt: Die Klägerin war Arbeitgeberin und veranstaltete im Jahr 2011 ein Mitarbeiterfest, an dem 592 Arbeitnehmer teilnahmen. Außerdem nahmen noch vier betriebsfremde Personen teil, die mit der Organisation des Festes beschäftigt waren. Die Klägerin ging davon aus, dass die Freigrenze von 110 € nicht überschritten sei, während der Betriebsprüfer zu einer Überschreitung der Freigrenze gelangte. Das Finanzamt erließ am 29.10.2013 einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid, wies aber in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids nicht darauf hin, dass ein Einspruch auch per E-Mail eingelegt werden kann. Die Klägerin legte innerhalb eines Monats zwar schriftlich Einspruch ein, übersandte den Einspruch aber an ein unzuständiges Finanzamt, das den Einspruch an das zuständige Finanzamt weiterleitete, bei dem er erst nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist einging. Im anschließenden Klageverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt, weil nach seiner Berechnung die Freigrenze von 110 € nicht überschritten worden sei; bei seiner Berechnung teilte das FG die Gesamtkosten des Festes auf 596 Personen auf, nämlich auf 592 Arbeitnehmer sowie auf die vier mit der Organisation betrauten Personen.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das FG zurück:

  • Der Einspruch gegen den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid war zulässig. Zwar ist der Einspruch nicht innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist beim zuständigen Finanzamt eingegangen. Jedoch galt im Streitfall eine einjährige Einspruchsfrist statt der einmonatigen Einspruchsfrist, weil die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig war. Denn es fehlte der Hinweis, dass ein Einspruch auch elektronisch, d.h. per E-Mail, eingelegt werden kann. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthielt nur den Hinweis auf die Möglichkeit, den Einspruch schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen.
  • Hinsichtlich des geldwerten Vorteils aus der Teilnahme der Arbeitnehmer an dem Betriebsfest war die Berechnung des FG nicht zutreffend, da es die Gesamtkosten durch 596 Teilnehmer und nicht durch 592 Teilnehmer geteilt hat. Zu Unrecht hat es nämlich auch die vier Teilnehmer einbezogen, die lediglich mit der Organisation des Festes beschäftigt waren und nicht zur Belegschaft gehörten. Hierdurch ergibt sich ein etwas höherer Betrag pro Arbeitnehmer, den das FG noch ermitteln muss.
  • Im Gegenzug muss es aber die Gesamtkosten und die Aufwendungen mindern, die auf die vier Personen entfallen, die mit der Organisation beschäftigt waren; denn die Aufwendungen für diese vier Personen haben die Arbeitnehmer nicht bereichert.

Hinweise: Seit 2015 hat sich die Rechtslage für Betriebsveranstaltungen geändert. Nunmehr gehen auch die Organisationskosten in die Bemessungsgrundlage ein, z.B. die Kosten für die Veranstaltungsagentur. Zudem ist ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass die auf die Begleitperson entfallenden Aufwendungen dem jeweiligen Arbeitnehmer zuzurechnen sind. Dies ist für Arbeitnehmer nachteilig. Vorteilhaft ist aber, dass seit 2015 die bisherige Freigrenze von 110 € durch einen Freibetrag von 110 € ersetzt worden; entfallen auf den Arbeitnehmer Kosten in Höhe von 120 €, muss er nach neuer Rechtslage lediglich 10 € versteuern, während er nach früherer Rechtslage 120 € hätte versteuern müssen, weil die Freigrenze überschritten worden war.

Der Grund für die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung im Streitfall dürfte darin zu finden sein, dass das Gesetz zum 1.8.2013 geändert worden war, indem nunmehr auch die elektronische Einlegung des Einspruchs per E-Mail ausdrücklich zugelassen wurde, und dass das Finanzamt bei Erlass des Bescheids im Oktober 2013 wohl noch eine alte Rechtsbehelfsbelehrung verwendet hat.

BFH, Urteil v. 28.4.2020 – VI R 41/17; NWB