03.07.2020
Ein Gerüstbauer darf für seine vertragliche Verpflichtung, das Gerüst nach Abschluss der Bauarbeiten abzubauen und abzutransportieren, keine Rückstellung bilden. Denn diese vertragliche Verpflichtung wird durch sein eigenbetriebliches Interesse an einer Weiterbenutzung der Gerüstbauteile überlagert.
Hintergrund: Für ungewisse Verbindlichkeiten sind gewinnmindernd Rückstellungen in der Bilanz zu bilden. Die Ungewissheit kann dem Grunde nach oder der Höhe nach am Bilanzstichtag bestehen, weil z. B. der genaue Betrag der Verpflichtung noch nicht bekannt ist.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Gerüstbauerin, die sich in ihren Verträgen u. a. dazu verpflichtete, das Gerüstmaterial nach Abschluss der jeweiligen Bauarbeiten abzubauen und wieder abzutransportieren. Sie bildete für diese Verpflichtung in ihren Bilanzen ab 2002 eine Rückstellung, in der sie die Personalkosten für den Abbau sowie die Transportkosten ansetzte. Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
- Zwar sind für Verpflichtungen gegenüber Dritten Rückstellungen zu bilden, weil der Unternehmer durch die Verpflichtung wirtschaftlich belastet wird.
- Dennoch kann es in Betracht kommen, auch ein eigenbetriebliches Interesse als Grund für die wirtschaftliche Belastung zu berücksichtigen. Eine Rückstellung scheidet daher aus, wenn die Verpflichtung, die gegenüber dem Dritten besteht, bei wirtschaftlicher Betrachtung durch ein eigenbetriebliches Interesse vollständig überlagert wird.
- Im Streitfall schied eine Rückstellung aus, weil das eigenbetriebliche Interesse der Klägerin an dem Abbau und dem Rücktransport der Gerüstbauteile die zivilrechtliche Verpflichtung zum Abbau und der Beseitigung der Gerüstbauteile vollständig überlagerte. Denn die Klägerin benötigte die Gerüstbauteile, um Folgeaufträge ausführen zu können. Immerhin hat die Klägerin selbst bei Entfernungen von bis zu 675 km zwischen der Baustelle und ihrem Zentrallager nicht davon Abstand genommen, die Gerüstbauteile zurückzutransportieren.
Hinweis: Der BFH lehnte eine anteilige Bildung der Rückstellung ab, weil der Transportvorgang einen einheitlichen Vorgang darstellt, der nicht aufgeteilt werden kann.
BFH, Urteil v. 22.1.2020 – XI R 2/19; NWB