Grunderwerbsteuer: Steuerbare Anteilsvereinigung durch Widerruf einer Schenkung

30.07.2020

Der Widerruf einer Schenkung, mit der Anteile an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft übertragen worden waren, kann Grunderwerbsteuer auslösen, wenn der widerrufende Schenker aufgrund des Widerrufs nun mit mindestens 95 % an der Personengesellschaft mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist.

Hintergrund: Grunderwerbsteuer kann nicht nur durch die Übertragung eines Grundstücks ausgelöst werden, sondern auch durch die Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft, die Grundvermögen hält. Der Gesetzgeber behandelt Anteilsübertragungen als grunderwerbsteuerbar, wenn der Anteilserwerber nun mit mindestens 95 % mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist.

Sachverhalt: Die E-GmbH & Co. KG hielt Grundvermögen. An der E-GmbH & Co. KG waren der Kläger zu 75 % und die A-GmbH & Co. KG zu 25 % beteiligt. An der A-GmbH & Co. KG war ursprünglich der Kläger zu 100 % beteiligt. Im Jahr 1995 schenkte der Kläger seinen beiden Söhnen B und C jeweils 45 % an der A-GmbH & Co. KG. Allerdings behielt sich der Kläger einen lebenslangen Nießbrauch an den Anteilen vor und er wurde von seinen Söhnen unwiderruflich bevollmächtigt, die Stimm- und Verwaltungsrechte an den Kommanditanteilen auszuüben. Zudem behielt sich der Kläger einen Widerruf der Schenkung vor, der ohne Angabe von Gründen möglich sein sollte. Im Jahr 2007 widerrief der Kläger die Schenkung, so dass er wieder mit 100 % an der A-GmbH & Co. KG beteiligt war. Anschließend veräußerte er 94,9 % seiner Kommanditbeteiligung an der A-GmbH & Co. KG, und die A-GmbH & Co. KG veräußerte 19,9 % ihrer Beteiligung an der E-GmbH & Co. KG. Das Finanzamt sah in dem Widerruf des Klägers eine grunderwerbsteuerbare Anteilsvereinigung.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der Widerruf der Schenkung im Jahr 2007 führte zu einer grunderwerbsteuerbaren Anteilsvereinigung beim Kläger. Dieser war aufgrund des Widerrufs nämlich mit 95 % unmittelbar und mittelbar an der grundbesitzenden E-GmbH & Co. KG beteiligt. Er hielt nun 100 % an der A-GmbH & Co. KG, die mit 25 % an der E-GmbH & Co. KG beteiligt war, und er war mit 75 % unmittelbar an der E-GmbH & Co. KG beteiligt. Vor dem Widerruf war der Kläger nur mit 10 % an der A-GmbH & Co. KG und damit nur mit 2,5 % mittelbar an der E-GmbH & Co. KG sowie mit 75 % unmittelbar an der E-GmbH & Co. KG, zusammen also mit 77,5 % beteiligt.
  • Zwar gab es im Jahr 2007 kein Rechtsgeschäft zwischen dem Kläger und seinen Söhnen, durch das Anteile auf den Kläger übertragen wurden. Jedoch ist auch der Widerruf der Schenkung, mit der 1995 die Anteile übertragen wurden, ein Rechtsgeschäft über eine Anteilsübertragung, weil der Kläger aufgrund des Widerrufs einen Anspruch auf Rückübertragung der Anteile erlangte.
  • Die Grunderwerbsteuerbarkeit wäre zu verneinen gewesen, wenn der Kläger bereits vor dem Widerruf mit mindestens 95 % mittelbar oder unmittelbar an der E-GmbH & Co. KG beteiligt gewesen wäre. Zwar war der Kläger nießbrauchsberechtigt und auch unwiderruflich zur Ausübung der Stimm- und Verwaltungsrechte bevollmächtigt; die Anteile selbst waren aber seinen Söhnen als Anteilsinhabern und Vollmachtsgebern zuzurechnen.

Hinweis: Auch wenn der Widerruf nur eine einseitige Willenserklärung ist, ist er – unter den übrigen gesetzlichen Voraussetzungen – ein grunderwerbsteuerbares Rechtsgeschäft, wenn das Recht zum Widerruf in einem schuldrechtlichen Geschäft – hier: dem Schenkungsvertrag aus dem Jahr 1995 – angelegt ist. Vor Ausübung eines Widerrufs sollte daher geprüft werden, ob der Widerruf Grunderwerbsteuer auslöst.

Der Gesetzgeber will zur Verhinderung unliebsamer Steuergestaltungen die Grenze von 95 % auf 90 % herabsetzen. Die entsprechende Reform wurde allerdings verschoben und sollte bis zum 30.6.2020 umgesetzt werden; dieser Zeitpunkt ist nicht eingehalten worden. Ob und wann die Reform nun umgesetzt wird, ist derzeit ungewiss.

BFH, Urteil v. 4.3.2020 – II R 2/17; NWB