Kosten einer Ärztin für häusliche Notfallpraxis unbeschränkt abziehbar

31.07.2020

Eine Ärztin, die in ihrem privaten Einfamilienhaus einen Kellerraum als Notfallpraxis eingerichtet hat, um außerhalb der Öffnungszeiten ihrer außerhäuslichen Arztpraxis Patienten in Notfällen versorgen zu können, kann die Kosten für ihre Notfallpraxis unbeschränkt absetzen. Die gesetzliche Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer greift nämlich nicht, wenn eine private Mitbenutzung der häuslichen Notfallpraxis aufgrund der medizinischen Ausstattung des Raumes ausgeschlossen ist.

Hintergrund: Die Kosten für häusliche Arbeitszimmer sind nur unter bestimmten Voraussetzungen absetzbar. Voraussetzung für den Abzug ist insbesondere, dass für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht – der Abzug ist dann auf 1.250 € beschränkt – oder dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet; in dem zuletzt genannten Fall ist der Abzug unbeschränkt möglich.

Sachverhalt: Die Klägerin betrieb zusammen mit anderen Ärzten eine Augenarztpraxis in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), und zwar außerhalb ihres eigenen Hauses. In ihrem eigenen Einfamilienhaus hatte die Klägerin im Keller eine sog. Notfallpraxis eingerichtet. Der Kellerraum war mit einer Liege, einer Spaltlampe, einer Sehtafel, einem Medizinschrank mit medizinischen Instrumenten und einem kleinen Tisch zum Ausstellen von Rezepten ausgestattet. Der Kellerraum konnte nur über zwei private Flure des Hauses betreten werden. In den Streitjahren 2010 bis 2012 führte die Klägerin 147 Notfallbehandlungen in dem Kellerraum durch. Sie machte die Kosten für diesen Raum als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der Gewinnfeststellungserklärung der GbR geltend. Das Finanzamt erkannte die Kosten wegen der gesetzlichen Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer nicht an.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) sah die Notfallpraxis nicht als häusliches Arbeitszimmer an und gab der Klage statt:

  • Die gesetzliche Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer setzt ein häusliches Arbeitszimmer voraus, also einen Raum, der nach seiner Ausstattung, seiner Lage und Funktion in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und in dem vorwiegend gedankliche, schriftliche, verwaltungstechnische oder organisatorische Arbeiten erledigt werden. Ein häusliches Arbeitszimmer ist typischerweise mit Büromöbeln, insbesondere mit einem Schreibtisch, eingerichtet.
  • Ist der Raum, der betrieblich oder beruflich genutzt wird, nicht als häusliches Arbeitszimmer einzustufen, handelt es sich um eine Betriebsstätte, deren Kosten unbeschränkt absetzbar sind.
  • Eine häusliche Notfallpraxis stellt kein häusliches Arbeitszimmer dar, da es sich nicht um ein typisches Arbeitszimmer handelt und wenn aufgrund der Ausstattung und der Zugänglichkeit für Dritte eine private Mitbenutzung ausgeschlossen werden kann. Im Streitfall war die Notfallpraxis als ärztliches Behandlungszimmer ausgestattet und ermöglichte keine private Benutzung. Die Klägerin hat tatsächlich auch 147 Notfallbehandlungen in den drei Streitjahren durchgeführt. Unschädlich ist, dass die Patienten den privaten Bereich des Hauses, nämlich zwei Flure, betreten mussten, um zu der Notfallpraxis zu gelangen. Denn der Notfallraum war aufgrund seiner Ausstattung nicht privat nutzbar.

Hinweise: Ist der häusliche Raum, der beruflich oder betrieblich genutzt wird, kein typisches Arbeitszimmer, wird geprüft, ob angesichts der Ausstattung oder der Zugänglichkeit für Dritte eine private Mitbenutzung ausgeschlossen ist. Sobald Dritte auch private Räume des Hauses betreten müssen, um den beruflich genutzten Raum zu erreichen, spricht dies an sich gegen den Abzug der Kosten als Betriebsausgaben, da der Raum dann für Dritte nicht leicht zugänglich ist. Anders zu beurteilen war dies aber im Streitfall, weil angesichts der Ausstattung des Kellerraums als Notfallpraxis ausgeschlossen war, dass der Kellerraum privat mitbenutzt wird.

Für die Praxis ist es empfehlenswert, die konkrete betriebliche oder berufliche Nutzung des Raumes zu dokumentieren, wie dies auch die Klägerin gemacht hatte.

BFH, Urteil vom 29.1.2020 – VIII R 11/17; NWB