03.08.2020
Ein Unternehmer, der eine Photovoltaikanlage errichten lässt, muss hierfür eine Bauabzugsteuer in Höhe von 15 % abführen, wenn der leistende Bauunternehmer keine Freistellungsbescheinigung vorlegt. Dies gilt auch dann, wenn der leistende Unternehmer in Deutschland gar nicht steuerpflichtig ist.
Hintergrund: Wenn ein Unternehmer eine Bauleistung in Anspruch nimmt, muss er eine Bauabzugsteuer von 15 % auf den Bruttobetrag einbehalten und an das Finanzamt abführen. Der leistende Unternehmer kann dies dadurch vermeiden, dass er beim Finanzamt eine sog. Freistellungsbescheinigung beantragt.
Sachverhalt: Die Klägerin beauftragte eine spanische Gesellschaft A-S.A. mit der Errichtung einer Photovoltaikanlage auf freiem Boden, sog. Freiland-Photovoltaikanlage. Der Auftrag umfasste sowohl die Planung der Anlage als auch deren Errichtung einschließlich der Aufstellung der Trafo-Stationen. Die A-S.A. verfügte nicht über eine Freistellungsbescheinigung. Das Finanzamt verlangte von der Klägerin eine Bauabzugsteuer in Höhe von 15 % der an die A-S.A. geleisteten Bruttozahlungen.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
- Die Voraussetzungen für die Erhebung der Bauabzugsteuer waren erfüllt, da die A-S.A. an die Klägerin eine Bauleistung erbrachte. Zu den Bauleistungen gehören insbesondere Leistungen zur Herstellung und Reparatur von Bauwerken.
- • Eine Photovoltaikanlage, die auf dem Boden errichtet wird, ist ein Bauwerk. Der Begriff des Bauwerks ist im Rahmen der Bauabzugsteuer weit auszulegen, da die Bauabzugsteuer illegale Beschäftigung bekämpfen soll. Der Begriff des Bauwerkes umfasst daher nicht nur Gebäude und Scheinbestandteile sowie Betriebsvorrichtungen, sondern auch technische Anlagen, wenn sie – wie bei Photovoltaikanlagen – mit der Erde fest verbunden sind und auf Pfählen errichtet werden. Unbeachtlich ist, ob die Trafo-Stationen nur auf dem Boden ruhen oder mit diesem fest verbunden sind; denn die Trafo-Stationen bilden mit der restlichen Photovoltaikanlage eine einheitliche Anlage.
- Die Errichtung der Photovoltaikanlage stellt auch eine Bauleistung dar. Der Begriff der Bauleistung ist ebenso wie der Begriff des Bauwerkes im Rahmen der Bauabzugsteuer weit auszulegen, damit die illegale Beschäftigung bekämpft werden kann. In verschiedenen Vorschriften wird die Installation von Freiland-Photovoltaikanlagen als Bauleistung erwähnt.
- Unerheblich ist, ob die A-S.A. in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte erzielt. Die Bauabzugsteuer soll nicht mit einer Prüfung der Steuerpflicht des leistenden Bauunternehmers verkompliziert werden. Sofern sie nicht steuerpflichtig ist, kann ihr die Bauabzugsteuer, die von der Klägerin abgeführt wird, vom Finanzamt erstattet werden.
- Die Bemessungsgrundlage für die Bauabzugsteuer richtet sich nach dem Entgelt zuzüglich der Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer gehört auch dann zur Bemessungsgrundlage, wenn sie nach dem sog. Reverse-Charge-Verfahren vom Leistungsempfänger, also der Klägerin, getragen und abgeführt wird.
Hinweise: Der BFH weitet den Anwendungsbereich der Bauabzugsteuer aus und weicht von anderen Rechtsgebieten wie der Umsatzsteuer oder dem Zivilrecht ab, wo der Begriff des Bauwerkes deutlich enger interpretiert wird. Der Grund für die weite Auslegung liegt in der gesetzgeberischen Absicht, die illegale Beschäftigung im Baubereich einzudämmen. Aus diesem Grund muss der Leistungsempfänger, wenn er Unternehmer ist, 15 % vom Bruttorechnungsbetrag einbehalten und an das Finanzamt abführen. Unterlässt er dies, kann das Finanzamt die Steuer von ihm nachfordern bzw. ihn dafür durch Haftungsbescheid in Anspruch nehmen. Soll die Bauabzugsteuer vermieden werden, muss der leistende Bauunternehmer dem Leistungsempfänger eine Freistellungsbescheinigung vorlegen.
Der BFH hält die Regelung über die Bauabzugsteuer für verfassungsgemäß und europarechtskonform.
BFH, Urteil v. 7.11.2019 – I R 46/17; NWB