25.08.2020
Wird ein umsatzsteuerpflichtig und umsatzsteuerfrei genutztes Gebäude in mehreren Abschnitten errichtet und jeweils in Gebrauch genommen, ist die Frage der Vorsteuerberichtigung anhand des einzelnen in Gebrauch genommenen Gebäudeabschnitts zu prüfen und nicht anhand des Gesamtgebäudes. Es gibt daher unterschiedliche Berichtigungszeiträume. Zudem ist die bei der Vorsteuerberichtigung zu beachtende Bagatellgrenze bezogen auf den einzelnen fertiggestellten und in Gebrauch genommenen Bauabschnitt zu prüfen.
Hintergrund: Die Vorsteuer ist zu berichtigen, wenn sich innerhalb des Berichtigungszeitraums die Verhältnisse ändern, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblich waren. Für Gebäude gilt ein zehnjähriger Berichtigungszeitraum, so dass der Unternehmer Vorsteuer im Wege der Berichtigung zurückzahlen muss, wenn er statt der geplanten umsatzsteuerpflichtigen Vermietung im Umfang von 60 % nur im Umfang von 40 % umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt. Dabei ist eine Bagatellgrenze zu beachten: Die Berichtigung unterbleibt, wenn sich die Verhältnisse um weniger als zehn Prozentpunkte ändern, es sei denn, der jährliche Berichtigungsbetrag beläuft sich auf mehr als 1.000 €.
Sachverhalt: Der Kläger betrieb ein Weingut. Er errichtete hierauf ein gemischt-genutztes Wohnhaus in zwei Bauabschnitten, stellte 2008 Unter- und Erdgeschoss sowie einen Teil des Obergeschosses fertig und nahm das Unter- und Erdgeschoss in Betrieb, wobei er es zum Teil umsatzsteuerfrei nutzte. Erst 2013 stellte er das Obergeschoss fertig. Das Gebäude ordnete er seinem Unternehmen zu und ging von umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen im Umfang von 85,65 % aus; daher zog er die Vorsteuer aus den Herstellungskosten zu 85,65 % ab. Im Rahmen einer Betriebsprüfung ermittelte der Prüfer einen Anteil von 74,70 % umsatzsteuerpflichtiger Umsätze, also 10,95 Prozentpunkte weniger; hierbei legte der Prüfer als Berichtigungsobjekt nur das im Jahr 2008 fertiggestellte und Unter- und Erdgeschoss und damit den zuerst fertiggestellten Bauabschnitt zugrunde. Der Prüfer ermittelte so einen jährlichen Berichtigungsbetrag für die Vorsteuer in Höhe von ca. 600 €. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, weil es nicht auf die Nutzung des Unter- und Erdgeschosses abstellte, sondern auf das gesamte Gebäude; hierdurch kam es zur Anwendung der Bagatellgrenze.
Entscheidung: Der BFH verwies die Sache an das FG zur weiteren Aufklärung zurück:
- Eine Vorsteuerberichtigung setzt voraus, dass sich die Verhältnisse, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblich waren, im Berichtigungszeitraum – bei Immobilien: zehn Jahre – geändert haben. Die Änderung muss sich auf das sog. Berichtigungsobjekt beziehen. Dies ist bei einer Immobilie grundsätzlich das gesamte Gebäude, weil das Gesetz auf das Grundstück einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, d.h. die Gebäude, abstellt.
- Allerdings stellt der Gesetzgeber für die Vorsteuerberichtigung auch darauf ab, dass das Wirtschaftsgut „verwendet“ wird. Daher kommt als Berichtigungsobjekt das Gebäude nur insoweit in Betracht, als es bereits verwendet wird. Bei einer Errichtung und Nutzung in Bauabschnitten, z.B. Geschossen, ist also der einzelne Bauabschnitt das Berichtigungsobjekt.
- Der BFH hat den Fall nun an das FG zurückverwiesen, damit es die Vorsteuerberichtigung bezüglich des Unter- und Erdgeschosses prüfen kann. Dabei muss es auch prüfen, ob die Bagatellgrenze greift, die verlangt, dass eine Änderung der Verhältnisse bezüglich des Unter- und Erdgeschosses im Umfang von mindestens zehn Prozentpunkten eingetreten ist, es sei denn, der jährliche Berichtigungsbetrag beläuft sich auf mehr als 1.000 €.
Hinweise: Der BFH folgt der Auffassung der Finanzverwaltung. Es kommt also nicht auf das Gesamtgebäude an, wenn die einzelnen Gebäudeabschnitte nacheinander in Betrieb genommen werden. Berichtigungsobjekt ist dann der einzelne Bauabschnitt. Dies hat zum einen Bedeutung für die Anwendung der Bagatellgrenze, zum anderen aber auch für die Anzahl der Berichtigungszeiträume, da für jeden einzelnen Bauabschnitt, der in Betrieb genommen wird, ein eigener Berichtigungszeitraum gilt.
BFH, Urteil v. 29.4.2020 – XI R 14/19; NWB