Wahrung der Festsetzungsfrist nur durch Abgabe der Steuererklärung beim örtlich zuständigen Finanzamt

29.07.2020

Die Abgabe der Einkommensteuererklärung kurz vor Eintritt der Festsetzungsverjährung hemmt nur dann den Eintritt der Festsetzungsverjährung, wenn die Steuererklärung beim örtlich zuständigen Finanzamt abgegeben wird. Die Abgabe bei einem örtlich unzuständigen Finanzamt genügt nur dann, wenn dieses die Steuererklärung an das örtlich zuständige Finanzamt weiterleitet und die Erklärung dort noch vor Eintritt der Festsetzungsverjährung eingeht.

Hintergrund: U.a. bei Arbeitnehmern, die keine anderen Einkünfte oder nur andere Einkünfte bis zu 410 € haben, wird eine Veranlagung zur Einkommensteuer nur dann durchgeführt, wenn diese beantragt wird. Bei der Einkommensteuer gilt eine Verjährungsfrist von vier Jahren.

Sachverhalt: Der Kläger war im Streitjahr 2009 Arbeitnehmer. Neben seinem Arbeitslohn erzielte er noch Zinsen, die unter dem Sparer-Pauschbetrag lagen. Der Kläger warf seine Einkommensteuererklärung am 31.12.2013 beim Finanzamt X ein und erhoffte sich eine Steuererstattung. Örtlich zuständig für ihn war aber das Finanzamt Y. Das Finanzamt X leitete die Steuererklärung an das Finanzamt Y weiter, wo die Erklärung im Jahr 2014 einging. Das Finanzamt Y lehnte die Veranlagung unter Hinweis auf die eingetretene Festsetzungsverjährung ab.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Die Verjährung trat am 31.12.2013 ein, da sie vier Jahre beträgt und mit Ablauf des Streitjahres 2009 begann, also mit Ablauf des 31.12.2009. Zwar gibt es im Steuerrecht eine sog. Anlaufhemmung von bis zu drei Jahren, so dass die Verjährungsfrist erst dann beginnt, wenn die Steuererklärung abgegeben wird. Diese Anlaufhemmung gilt nur bei sog. Pflichtveranlagungen, wenn der Steuerpflichtige eine Steuererklärung abgeben muss. Die Anlaufhemmung galt aber nicht im Streitfall, weil der Kläger als Arbeitnehmer nicht zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet war, sondern es sich um eine sog. Antragsveranlagung handelte.
  • Eine Ablaufhemmung trat im Streitfall nicht ein. Zwar wird der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist ein Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt wird. Bei der Antragsveranlagung gilt die Abgabe der Steuererklärung als entsprechender Antrag.
  • Die Steuererklärung muss allerdings beim örtlich zuständigen Finanzamt abgegeben werden. Dies folgt aus den allgemeinen Regelungen über die örtliche Zuständigkeit. Der Kläger hat die Erklärung jedoch beim örtlich unzuständigen Finanzamt X abgegeben. Dieses hat die Steuererklärung zwar an das örtlich zuständige Finanzamt Y weitergeleitet; dort kam die Steuererklärung aber erst im Jahr 2014 und damit nach Eintritt der Verjährung an.

Hinweis: Für den Kläger ist das Urteil deshalb nachteilig, weil er mit einer Steuererstattung gerechnet hat. Hätte der Kläger außer dem Arbeitslohn noch andere Einkünfte von mehr als 410 € erzielt, hätte es sich um eine Pflichtveranlagung gehandelt, so dass die sog. Anlaufhemmung gegolten hätte: Die Verjährungsfrist hätte dann erst mit Ablauf des 31.12.2012 begonnen und am 31.12.2016 geendet.

Dem BFH zufolge kommt es nicht darauf an, ob der Kläger das örtlich zuständige Finanzamt kannte oder kennen musste.

BFH, Urteil v. 13.2.2020 – VI R 37/17; NWB