01.09.2020
Eine Genossenschaft, die als Großhändlerin und als Zentralreguliererin tätig ist, kann die Vorsteuer aus einer Zahlung geltend machen, die sie an ein Mitglied dafür leistet, dass das Mitglied neue Ladenflächen schafft und auf diesen Ladenflächen Produkte anbietet, die es von der Klägerin bezogen hat. Denn zwischen der Zahlung der Genossenschaft und der Leistung des Mitglieds, Flächen bereitzustellen, besteht der für den Vorsteuerabzug erforderliche unmittelbare Zusammenhang. Stellt das jeweilige Mitglied eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer aus, ist der Vorsteuerabzug für die Genossenschaft möglich.
Hintergrund: Ein Unternehmer kann die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen, wenn es sich um eine Leistung für sein Unternehmen handelt. Der Vorsteuerabzug ist ausgeschlossen, soweit der Unternehmer Leistungen, die nicht der Umsatzsteuer unterliegen, erbringt.
Sachverhalt: Die Klägerin, eine Genossenschaft, war als Großhändlerin und Zentralreguliererin im Bereich der Unterhaltungselektronik tätig. Sie hatte ein Konzept für ihre Mitglieder erstellt, nach der jedes Mitglied für neu geschaffene Ladenflächen eine Zahlung erhielt, wenn es auf der neu geschaffenen Ladenfläche Produkte, die es von der Klägerin bezogen hatte, anbot. Die Klägerin zahlte an ihr Mitglied X, das einen Einzelhandel betrieb, einen entsprechenden Betrag, nachdem X neue Ladenflächen geschaffen und auf diesen Produkte der Klägerin angeboten hatte. X stellte der Klägerin eine Rechnung mit Umsatzsteuer aus. Die Klägerin machte die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkannte den Vorsteuerabzug an:
- Der Vorsteuerabzug ist zu bejahen, wenn zwischen der von der Klägerin bezogenen Eingangsleistung und den Umsätzen der Klägerin ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dieser Zusammenhang bestand im Streitfall.
- Bei der Eingangsleistung handelte es sich um die Bereitstellung der von X neu geschaffenen Verkaufsfläche und der Vermarktung der von der Klägerin bezogenen Produkte. Die Klägerin war zwar an dem Verkauf der Produkte nicht unmittelbar beteiligt. Sie profitierte aber durch eine Umsatzsteigerung bei den Einkäufen des X und bei den Provisionen, die sie von den Herstellern erhielt, so dass sie eine Umsatzsteigerung erwarten konnte.
- Die Zahlung der Klägerin stellte keinen Zuschuss dar, der nicht steuerbar gewesen wäre und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätte. Denn grundsätzlich ist im Wirtschaftsleben niemand bereit, Geld zu verschenken, also eine Leistung ohne Gegenleistung zu erbringen.
Hinweise: Der BFH hat im Wesentlichen die Begründung der Vorinstanz übernommen, die die Verträge ausgelegt hat und einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Bereitstellung der Flächen durch X und den Ausgangsumsätzen der Klägerin bejaht hat. Entscheidend ist, dass nach den schriftlichen Unterlagen, insbesondere dem Konzept, ein eigenwirtschaftliches Interesse der Klägerin an der Vergabe der Fördergelder bestanden hatte. Bei einem Zuschuss wäre dieses wirtschaftliche Interesse nicht vorhanden gewesen – ein Vorsteuerabzug wäre dann nicht möglich.
BFH, Urteil v. 7.5.2020 – V R 22/18; NWB