Anfechtung eines Feststellungsbescheids über das Einlagekonto einer GmbH durch den GmbH-Gesellschafter

25.06.2020

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat Zweifel, ob ein Gesellschafter einer GmbH den Bescheid über die Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos anfechten kann. Wenn man dem Gesellschafter aber dieses Recht zugestehen würde, müsste er einen unanfechtbaren Feststellungsbescheid gegen sich gelten lassen; er könnte den Bescheid also nicht mehr anfechten, wenn für die GmbH die Einspruchsfrist abgelaufen ist.

Hintergrund: Für eine Kapitalgesellschaft wird jährlich der Bestand des steuerlichen Einlagekontos festgestellt. In diesem Bescheid werden die von den Gesellschaftern geleisteten Einlagen erfasst. Diese Einlagen können in einem späteren Jahr unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei zurückgezahlt werden, so dass keine Abgeltungsteuer von 25 % anfällt.

Sachverhalt: Die Antragstellerin war eine schottische Personengesellschaft, die an der C-GmbH beteiligt war. Die Antragstellerin leistete im Jahr 2015 eine Einlage in die C-GmbH. Das Finanzamt stellte den Bestand des Einlagekontos zum 31.12.2015 mit Bescheid vom Juni 2016 auf 0 € fest, da die C-GmbH in ihrer Feststellungserklärung die Einlage der Antragstellerin versehentlich nicht erklärt hatte. Die C-GmbH legte gegen den Bescheid keinen Einspruch ein, so dass der Bescheid bestandskräftig wurde. Im Februar 2018, also ca. 20 Monate später, legten die Antragstellerin und ihre Kommanditisten Einspruch gegen den Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto ein. Außerdem beantragten sie die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids.

Entscheidung: Der BFH wies den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurück:

  • Der Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto kann von der Kapitalgesellschaft, also der C-GmbH, angefochten werden, da er sich gegen die Kapitalgesellschaft richtet und an diese adressiert ist. Ob auch die Gesellschafter der Kapitalgesellschafter ein Anfechtungsrecht haben, ist zweifelhaft. Würde man ein solches Drittanfechtungsrecht bejahen, könnten u. U. mehrere Tausend Aktionäre einer AG den Feststellungsbescheid anfechten.
  • Die Frage eines eigenen Anfechtungsrechts des Gesellschafters kann aber offenbleiben. Denn selbst wenn man ein solches Anfechtungsrecht bejahen würde, würde für den Gesellschafter die sog. Drittwirkung der Steuerfestsetzung gelten und seine Einspruchsmöglichkeit einschränken. Wird der Feststellungsbescheid gegenüber der GmbH bestandskräftig, weil ihn die GmbH nicht innerhalb der Einspruchsfrist angefochten hat, gilt die Bestandskraft auch gegenüber den Gesellschaftern der GmbH und damit auch gegenüber der Antragstellerin und ihren Kommanditisten.
  • Der Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto ist gegenüber der C-GmbH bestandskräftig geworden. Damit gilt der Bescheid auch gegenüber den Gesellschaftern der C-GmbH als bestandskräftig, also gegenüber der Antragstellerin und ihren Gesellschaftern.

Hinweise: Der Beschluss ist für Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nachteilig, weil die Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos vor allem ihren Interessen dient, nämlich die Möglichkeit einer steuerfreien Rückgewähr der Einlagen in einem Folgejahr. Der BFH weist aber darauf hin, dass die Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter gesellschaftsvertraglich miteinander verbunden sind, so dass die Gesellschafter ihre Gesellschaftsrechte wie z.B. das Informationsrecht dazu nutzen können, um die Kapitalgesellschaft zur rechtzeitigen Einlegung von Einsprüchen veranlassen zu können.

Eine sog. Drittanfechtung, d.h. die Anfechtung eines Bescheids durch eine Person, gegen die sich der Bescheid nicht richtet, ist im Steuerrecht die Ausnahme. Eine solche Ausnahme gibt es aber bei der Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft. Der Wert, mit dem das Betriebsvermögen bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft angesetzt wird, ergibt sich faktisch aus dem Körperschaftsteuerbescheid der aufnehmenden Kapitalgesellschaft. Die aufnehmende Kapitalgesellschaft kann den Körperschaftsteuerbescheid bezüglich des angesetzten Werts aber nicht anfechten, weil nur der Einbringende durch den Wertansatz beschwert ist, weil sich der Wert auf seinen Veräußerungsgewinn auswirkt. Daher ist der Einbringende zu einer sog. Drittanfechtung des Körperschaftsteuerbescheids der aufnehmenden Kapitalgesellschaft berechtigt.

BFH, Beschluss v. 10.12.2019 – I B 35/19; NWB